Eine der zentralen Fragen in der Burnoutprävention ist: Wie weiß ich, ob ich ein Burnout habe oder schon am besten Weg dahin bin? Nachdem das Thema seit einigen Jahren immer wieder in den Medien rauf und runter gespielt wird, wissen viele Menschen viele Dinge darüber. Aber bedeutet ein hoher Stresslevel über einige Wochen schon, dass ich kurz vor dem Burnout stehe? Ist meine ständige Müdigkeit am Wochenende erstes Anzeichen dafür, dass es jetzt bergab geht? Und wer kann mir bestätigen, dass ich an einem Burnout erkrankt bin? Im aktuellen Blogbeitrag möchte ich diese Fragen beantworten. – Autor: GF

Ein Burnout ist nicht von heute auf morgen einfach so da und gerade deshalb ist es auch nicht so einfach zu erkennen. Es entwickelt sich oft über einen langen Zeitraum hinweg schleichend, beginnt mit scheinbar harmlosen Symptomen und verläuft auch von Mensch zu Mensch anders. In unserem Glossar finden Sie ein Modell von Herbert Freudenberger, das die 12 Stadien einer Burnout-Erkrankung inkl. der jeweiligen Erkennungszeichen zusammenfasst.

Same same, but different

Ein Burnout im frühen Stadium zu identifizieren ist besonders schwierig. Die ersten Phasen, in denen jemand Überaktivität, Perfektionismus und ein Gefühl der Unentbehrlichkeit an den Tag legt, gehören in unserer leistungsorientierten Welt schon fast zum ganz normalen Verhalten dazu. Wer fleißig und mit Herzblut seinen Job verrichtet, dem klopft man gern auf die Schulter. Dass dabei aber unter Umständen wichtige persönliche Bedürfnisse auf der Strecke bleiben und damit der erste Schritt am Weg Richtung Burnout passiert, wird oft übersehen. Viele dieser ersten Signale sind auch nicht nach außen sichtbar, werden vom burnoutgefährdeten Menschen entweder gut versteckt oder als Lappalie abgetan. Und grundsätzlich muss man auch festhalten, dass nicht jeder, der engagiert seinem Job nachgeht und Überstunden schiebt, gleich ein potentieller Burnout-Kandidat ist.

Ein weiterer Grund, der das Erkennen eines Burnout-Syndroms so herausfordernd macht ist die Tatsache, dass es sich dabei eben um ein Syndrom – also um eine Anhäufung von mehreren Symptomen – handelt. Diese Anzeichen können sich

  • körperlich (Magen-Darm-Beschwerden, Herz-Kreislauf-Erkrankung, Beschwerden der Skelettmuskulatur, …),
  • mental (Vergesslichkeit, Verlust von Kreativität, …),
  • emotional (Hoffnungslosigkeit, innere Leere, Gereiztheit, …) und/oder
  • sozial (Verlust des Gespürs für Menschen, sozialer Rückzug, andere Menschen werden nur mehr als Belastung erlebt)

äußern und in den verschiedensten Kombinationen auftreten. Gleichzeitig können Symptome wie z.B. chronische Müdigkeit und Konzentrationsprobleme aber auch völlig andere, körperliche Ursachen haben (Schilddrüsenunterfunktion, chronische Infektionen, usw.) oder einfach Teil einer vorübergehenden Phase sein.[1]

Und last but not least, decken sich viele Symptome einer Burnout-Erkrankung mit jenen einer Depression. Das von außen klar zu unterscheiden, ist besonders für Laien so gut wie unmöglich. Außerdem wird ein Burnout offiziell immer als Depression, nämlich als Erschöpfungsdepression diagnostiziert. Grund dafür ist, dass Burnout per se im ICD10 (das internationale Klassifikationssystem für Diagnosen der WHO) nicht als eigenständige Diagnose aufscheint und man somit auch theoretisch nicht wegen eines Burnouts krankgeschrieben werden kann.[2] Woran kann man eine Burnout-Erkrankung oder eine Gefährdung dann also festmachen?

Burnout im Vollbild

Wer frühe Warnsignale auf dem Weg in ein Burnout erkennen möchte, kann sich einerseits an dem bereits genannten 12-Stadien-Modell orientieren. Andere Quellen unterteilen den Verlauf einer Burnout-Erkrankung in die folgenden 4 Phasen[3], hier im Kontext Arbeit dargestellt:

  1. Überaktivität: übertriebenes Engagement, überhöhtes Bedürfnis nach Anerkennung, sich beweisen müssen, Gefühl der Unentbehrlichkeit
  2. Reduziertes Engagement: allgemeines Gefühl, abzustumpfen und härter zu werden, negative Einstellung zur Arbeit, Beginn der „inneren Kündigung“, zunehmende Schuldzuweisung auf andere, Reaktionen des Umfelds werden oft als Mobbing erlebt
  3. Tatsächlicher Abbau der Leistungsfähigkeit: Konzentrationsschwäche, chaotische Arbeitsplanung, Entscheidungsunfähigkeit, verringerte Initiative – Dienst nach Vorschrift, Widerstand gegen Veränderungen aller Art
  4. Verzweiflung: Gefühl von Hilflosigkeit und Sinnlosigkeit, Energiespeicher füllen sich nicht mehr auf, verstärkte körperliche Symptome, klinische Auffälligkeit und Gefährdung

Wer sich in Phase 4 bzw. im Vollbild eines Burnouts befindet, bei dem gilt der Ausspruch: Rien ne va plus – nichts geht mehr. Menschen im Burnout verlieren ihre natürliche Fähigkeit zur Regeneration und können sich einfach nicht mehr erholen. Wer unter einem echten Burnout leidet, der ist auch nicht mehr arbeitsfähig und das für zumindest mehrere Monate der Reha, Therapie und Erholung. Ich kenne die Geschichte eines jungen Mannes, der kurz vor seinem Zusammenbruch mit Burnout tatsächlich eine richtige Muskelsperre hatte. Er stand vor der Drehtür zum Firmengebäude seines Arbeitsplatzes und konnte wortwörtlich keinen Fuß mehr vor den anderen setzen.

Oft höre ich Menschen, die sich lautstark über ihre Workload beklagen und jammern „Ich glaub, ich hab ein Burnout“. Ich sage dann gerne: „Wer wirklich an einem Burnout-Syndrom leidet, der hat keine Kraft mehr, sich lautstark zu beschweren.“ In der letzten Phase einer Burnout-Erkrankung überwiegen nämlich soziale Isolation, Erschöpfung und Hoffnungslosigkeit.

Auf Herz und Nieren geprüft – Burnout-Diagnostik

Eine ärztliche Bestätigung über das Vorliegen einer Burnout-Erkrankung (bzw. wie oben erwähnt, einer Erschöpfungsdepression) kann nur ein Psychologe erteilen. Wer schon vorab etwas niederschwelliger eine mögliche Burnout-Gefährdung feststellen möchte, der kann dies auf folgende Art und Weise tun:

  1. Fragebogen-Test inkl. begleitendem Gespräch: Eine erste Tendenz kann man sehr gut über einen schriftlichen Fragebogen feststellen. Sehr häufig wird dafür in der Praxis das sogenannte Maslach Burnout Inventory herangezogen, das von Psychologen angewandt und ausgewertet wird. Neben anderen Fragebögen ist auch der AVEM (Arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster) eine mögliche, arbeitspsychologisch gesicherte Alternative. Burnoutprophylaxe-Trainer wie z.B. wir Autoren arbeiten mit dem AVEM-Fragebogen. Meine Empfehlung ist, eine solche Status-Klärung unbedingt in Kombination mit einem Gespräch zu absolvieren, da auch ein Fragebogen-Ergebnis nicht immer zu 100% richtig liegen muss. Ich rate auch, von x-beliebigen, nicht wissenschaftlich fundierten Online-Tests Abstand zu nehmen.
  1. Praktischer Arzt: Falls der Burnoutprophylaxe-Trainer eine ernstzunehmende Gefährdung bzw. Tendenz in Richtung Burnout feststellt, führt der nächste Weg zum praktischen Arzt. Dieser kann körperliche Ursachen abklären und – falls nötig eine Überweisung zum Psychologen oder Psychiater ausstellen.
  2. Psychologe: Beim Psychologen findet schließlich die endgültige Diagnostik statt, dort wird auch die geeignete Therapie bzw. Rehabilitation besprochen und eingeleitet.

Fakt ist: Je früher man erste Anzeichen abklären lässt und sich professionelle Unterstützung holt, desto eher kann eine Burnout-Erkrankung vermieden werden. Die Problematik besteht leider darin, dass viele Burnout gefährdete Menschen ihre Warnsignale nicht wahrhaben wollen und erst dann Hilfe annehmen, wenn es zu spät ist.

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[1] Hillert, Andreas (2013): Burn-out-Syndrom, online verfügbar auf http://www.apotheken-umschau.de/Stress/Burn-out-Syndrom-Diagnose-59202_4.html (19.5.2016)

[2] Wikipedia (2016): Burnout-Syndrom, online verfügbar auf https://de.wikipedia.org/wiki/Burnout-Syndrom (22.5.2016)

[3] Kéré Wellensiek, Sylvia (2011): Handbuch Resilienz-Training. Widerstandskraft und Flexibilität für Unternehmen und Mitarbeiter. Beltzverlag: Weinheim und Basel.

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