Es gibt wohl kaum eine Personalabteilung oder Geschäftsführungs-Etage, die noch nicht davon gehört oder sich damit beschäftigt hat: Die verpflichtende Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz. Und genauso wenige gibt es wohl leider, die einem Evaluierungsprojekt im Unternehmen ohne Vorbehalte gegenüberstehen. Warum das so ist, was die häufigsten Irrtümer im Zusammenhang mit der Arbeitsplatzevaluierung sind und wie Unternehmen den maximalen Nutzen daraus ziehen können, lesen Sie im heutigen Blog-Beitrag und im 2. Teil in 14 Tagen. – Autor: GF

Begonnen hat alles am 1.1.2013. Damals trat eine Novelle des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (kurz: ASchG) in Kraft. Gemäß §4 ASchG sind Organisationen seit diesem Zeitpunkt zur Erhebung und Reduktion psychischer Störfaktoren am Arbeitsplatz verpflichtet. Im sogenannten Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokument müssen die festgestellten Belastungen sowie dazu passende Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen dokumentiert werden. Die Durchführung der Evaluierung selbst sowie die Umsetzung der Maßnahmen werden vom Arbeitsinspektorat kontrolliert.

Psychische Gesundheit im Fokus

Notwendig geworden ist diese Gesetzesänderung, nachdem sich auch unsere Arbeitswelt in den letzten Jahrzehnten stark verändert hat. Wir werden immer mehr zu einer Dienstleistungsgesellschaft, was eine Zunahme an geistiger Anstrengung (im Gegensatz zu körperlicher Tätigkeit) bedeutet. Neue Steuerungsformen wie Ergebnisorientierung, permanente Umstrukturierungen und Rationalisierung bringen mehr Druck und Unsicherheit mit sich. Die kontinuierliche Beschleunigung unseres Lebens und die immer stärker zunehmende Entgrenzung von Zeit und Ort stellen uns als Mensch – unseren Geist und unsere Seele – vor große Herausforderungen. Psychische Erkrankungen nehmen seit Jahren rasant zu; dadurch bedingte Krankenstände dauern ca. 3x länger als Fehlzeiten durch körperliche Erkrankungen.[1] Es ist also dringend nötig geworden, verstärkt auf die Erhaltung der psychischen Gesundheit zu achten und Unternehmen hier auch in ihre Verantwortung zu nehmen.


Was die Evaluierung „kann“

Inhaltlich geht es bei der Evaluierung darum Bedingungen zu schaffen, die für das Gros der Mitarbeiter eines Unternehmens gute, menschengerechte Arbeit ermöglichen. Unter „menschengerecht“ versteht man Arbeit, die Ganzheitlichkeit, soziale Interaktion, Autonomie, Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten, stressfreie Zeitregulierung und Sinn umfasst.[2]

Konkret stehen folgende vier Bereiche im Fokus der Erhebung:

  • Aufgabenanforderungen und Tätigkeiten,
  • Sozial- und Organisationsklima,
  • Arbeitsumgebung sowie
  • Arbeitsabläufe und -organisation.

Dh. es handelt sich bei der Evaluierung psychischer Belastungen um eine Maßnahme, die nicht auf individuelle Problemstellungen Einzelner eingeht. Die Evaluierung ist nicht mit einer Mitarbeiterzufriedenheitsstudie gleichzusetzen und erhebt auch keine psychischen Erkrankungen wie z.B. Burnout.[3]

Gleichzeitig ist die Evaluierung aber ein wahrer Potentialträger und birgt viele Chancen:

  • Sie dient der Erhaltung der Gesundheit und damit der Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern.
  • Eine korrekt durchgeführte Evaluierung steigert die Zufriedenheit und Motivation der Belegschaft und erhöht damit auch die Effizienz und Produktivität im Arbeitsalltag.
  • Sie ist eine Art „Fieberthermometer“ für Brennpunkte im Unternehmen und damit auch als Startschuss für ein Organisationsentwicklungsprojekt oder für die
  • Implementierung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements[4]


Unmut auf Unternehmensseite

Auf Unternehmerseite gibt es trotz der vielen positiven Effekte häufig Unmut und Ablehnung. Mögliche Gründe und die Top 10 Tipps für das Gelingen der Arbeitsplatzevaluierung gibt’s im zweiten Teil in 14 Tagen.

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Abbildung / Quelle: ABS Gruppe (Molnar, Prinkel, Friesenbichler, 2013); Grafikdesign: Solt-Bittner; Abbildung mit Genehmigung der UrheberInnen.

[1] WIFO (2014): „Fehlzeitenreport 2014“, online unter https://www.wko.at/Content.Node/Interessenvertretung/Arbeit-und-Soziales/-Publikationen-/Fehlzeitenreport_2014.pdf (13.7.2015)

[2] AUVA (2013): Evaluierung psychischer Belastungen. Die Arbeits-Bewertungs-Skala – ABS-Gruppe.

[3] AUVA (2013): Evaluierung psychischer Belastungen. Die Arbeits-Bewertungs-Skala – ABS-Gruppe.

[4] Gerd Beidernikl (2015): „Praxisforum: Evaluierung psychischer Belastungen … und dann? (ASchG Österreich)“,  online unter http://www.hrweb.at/2015/07/evaluierung-psychischer-belastungen-aschg-oesterreich/ (2.7.2015)

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