Die alte Tradition des Pilgerns gewinnt immer mehr an Beliebtheit. Ob auf dem Jakobsweg, in Tibet oder auf dem Weg nach Rom, immer mehr Stressgeplagte und Burnout Gefährdete wollen mit dem Rucksack auf den Schultern Abstand nehmen vom Alltag. Ich habe es nun endlich auch probiert und berichte im folgenden Beitrag von meinen Erfahrungen. – Autor: GS

Schon seit Jahren habe ich es mir vorgenommen, letzte Woche nahm ich es endlich in Angriff. Ich pilgerte, und zwar von Wien nach Mariazell auf dem Wiener Wallfahrerweg bzw. der sogenannten Via Sacra. Es war eine sehr schöne Erfahrung und ich kann jetzt sehr gut verstehen, warum so viele Menschen vom Pilgern begeistert sind. Hier ein paar Gründe dafür:

Sich selbst spüren

Am ersten Tag meiner Wallfahrt versuchte ich noch meine Etappen genauestens zu planen. Ich nahm mir vor, wie lange und wie weit ich gehen würde, plante sogar meine Pausen ein. Die Konsequenz daraus war, dass ich mein Etappenziel bei weitem nicht erreichte und schon am Nachmittag fix und fertig war. Zudem führte mir ein Schwindelanfall vor Augen, dass ich bei dieser körperlichen Belastung mehr als sonst essen musste. Mir war nicht aufgefallen, dass mein Körper nach mehr Nahrung verlangte.

Ab dem zweiten Tag machte ich es anders: Es gab kein Etappenziel. Ich machte die Pausen, wenn ich mich danach fühlte und hörte aufmerksam in meinen Körper hinein, um herauszufinden, wann er Nahrung und Flüssigkeit brauchte. Siehe da, ich war weniger müde und überrascht, wie weit mich meine Füße an einem Tag tragen konnten. Ich hatte gelernt, wieder mehr auf meinen Körper zu achten.

Selbstbestimmtheit

Im Alltag ist man oft fremdbestimmt. Man richtet seinen Tag nach der Familie, nach der Arbeit und sonstigen Verpflichtungen aus. Beim Pilgern ist man sein eigener Herr, insbesondere dann, wenn man wie ich alleine geht. Ich kann bestimmen, wann ich aufstehe, schlafen gehe, aktiv bin oder nur faul auf einer Bank den Ausblick genieße.

 

Im Hier und Jetzt sein

Beim Pilgern ist man ständig im Augenblick. Die Natur zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Man schaut genau wo man hin steigt, versucht den richtigen Weg zu finden oder lässt sich von wunderbaren Ausblicken, schönen Landschaften oder von der Pflanzen- und Tierwelt gefangen nehmen. Außerdem holen einen die Signale des Körpers wie zum Beispiel ein schmerzendes Knie oder eine Blase am Fuß aus den Gedanken zurück in die Gegenwart. Meine Alltagssorgen traten in den Hintergrund.

 

Menschliche Beziehungen schätzen

Ich kann nicht sagen, ob es der Tatsache geschuldet war, dass ich allein unterwegs war, aber mir wurde wieder einmal bewusst, wie wichtig menschliche Beziehungen für mich sind. Ich freute mich über die kleinen Begegnungen mit anderen Menschen, über nette Worte oder ein freundliches Lächeln.

 

Die kleinen Dinge des Lebens genießen

Wie gut kann ein Stück Brot nach vier Stunden anstrengender Wanderung schmecken! Wie wohl tut die Dusche am Abend eines heißen Pilgertages! Wie schön ist es wieder in trockene Kleidung zu schlüpfen nach einem Marsch im Regen!

Ganz einfache Dinge des Lebens bekommen beim Pilgern eine andere Bedeutung. Man schätzt und genießt, was sonst selbstverständlich ist und nicht mehr beachtet wird.

 

Es muss nicht immer Santiago de Compostela sein

Stressgeplagte und Burnout Gefährdete tun sich schwer mit oben genannten Punkten wie „Sich selbst spüren“ oder im „Hier und Jetzt sein“. Deshalb kann Pilgern eine wertvolle Methode im Sinne der Stressbewältigung und Burnoutprävention darstellen.

Ich war sehr überrascht, wie schön der Pilgerweg ist und dass ein Großteil der Strecke in der Natur und nicht auf Asphalt verläuft. Zum Glück sind wir in Österreich gesegnet mit schönen Wallfahrtswegen und wer gerne pilgern möchte, muss deshalb nicht notwendigerweise nach Nordspanien reisen, obwohl dies sicher auch seine Reize hat.

Informationen über Pilgerrouten in Österreich kann man im Internet finden, z.B. auf www.pilgerwege.at oder auf regionalen Seiten wie steiermark.com oder oberoesterreich.at.

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