Nachdem Gerd Schmid vor zwei Wochen hier am Blog darüber geschrieben hat, wie Angehörige auf eine mögliche Burnout-Erkrankung ihrer Lieben reagieren können, möchte ich diese Fragestellung nun im beruflichen Kontext reflektieren. In Seminaren oder Vorträgen zum Thema „Gesundes Führen“ wird immer wieder gefragt: Wie kann ich als Führungskraft erkennen, dass sich ein Mitarbeiter überlastet fühlt? Was mache ich, wenn ein Mitarbeiter tatsächlich am Anschlag seiner Kräfte ist, es sich aber nicht eingestehen möchte?[1] Darf ich solche heiklen Themen überhaupt ansprechen? Der vorliegende Beitrag soll einige hilfreiche Tipps und Antworten dazu liefern. – Autor: GF

Die Gesundheit eines Menschen ist eine recht sensible und oft auch private Sache. Gerade im beruflichen Umfeld muss auf die Intimsphäre der Mitarbeiter geachtet werden, wenn es um Krankenstände und deren Ursachen geht. Als besonders heißes Eisen gelten in diesem Zusammenhang immer noch psychische Erkrankungen, zu denen auch das Burnout-Syndrom zählt. Auch wenn die Auslöser für ein Burnout genauso im privaten Umfeld liegen können, ist es doch Pflicht einer Führungskraft, Erschöpfung und Überforderung bei ihren Mitarbeitern wahrzunehmen, anzusprechen und auch Unterstützung anzubieten.[2] Nicht zuletzt liegt es ja auch im Interesse eines Vorgesetzten und jedes Unternehmens, seine Mitarbeiter gesund und leistungsfähig zu halten.

Wie erkenne ich als Führungskraft Warnsignale?

Wer jetzt hofft, hier eine Art Checkliste vorzufinden, mit der er Überlastung bei seinen Mitarbeitern identifizieren kann, den muss ich leider enttäuschen. Wie schon im Glossar   beschrieben, gibt es eine Vielzahl von Symptomen, die auf ein Burnout-Syndrom hinweisen, die in verschiedensten Kombinationen auftreten und, die vor allem von Mensch zu Mensch unterschiedlich sind. Aber egal, ob es nun Schweißausbrüche bei Besprechungen, plötzlicher Leistungsabfall, cholerisches Verhalten oder ungewöhnliche Zurückgezogenheit sind: Alles, was – über längeren Zeitraum oder wiederholt – eine Veränderung zum Verhalten oder Aussehen eines Mitarbeiters unter Normalbedingungen darstellt bzw. eine merkliche Abweichung zu dem, wie er in stressfreien Zeiten erlebt wird, gilt als Warnsignal.[3] Nur wer seine Mitarbeiter kennt, sich für sie interessiert und sich täglich Zeit nimmt für (einen wie auch immer gearteten) Kontakt zu seinem Team, wird solche Veränderungen wahrnehmen. Hinschauen und aufmerksam sein sind also ganz wichtige Führungskompetenzen im Zusammenhang mit Burnout-Prävention.

Abgesehen davon weiß ein jeder Vorgesetzter vermutlich, wer die besonders Engagierten, die Übergenauen und Nimmermüden in seinem Team sind. Die, die niemals nein sagen zu Zusatzprojekten und Überstunden und die voller Herzblut ihrer Arbeit nachgehen. Heute weiß man, dass es gerade dieser Mitarbeitertypus ist, der eher dazu neigt, an einem Burnout-Syndrom zu erkranken und, der das rechtzeitige Ansprechen bzw. Eingreifen seiner Führungskraft braucht, weil er selbst die Handbremse nicht mehr ziehen kann.

 

Wie kann ich eine wahrgenommene Veränderung beim Mitarbeiter ansprechen?

Generell gilt: Stress-Symptome oder Krankheitsverhalten nicht ignorieren, sondern ansprechen! In Organisationen, die eine offene Gesprächskultur auf Augenhöhe pflegen, trauen sich Mitarbeiter vielleicht sogar selbst ihre gefühlte Überforderung zu kommunizieren. Wo ein solch vertrauensvoller Umgang herrscht, fällt es auch leichter als Vorgesetzter wahrgenommene Veränderungen beim Mitarbeiter anzusprechen. Das sollte auch umgehend geschehen, sofern – wie oben beschrieben – Anzeichen wiederholt auftreten bzw. über einen Zeitraum von mehr als 2 Wochen beobachtet werden.[4]

Ein möglicher Anlass dafür könnte ein sogenanntes Willkommensgespräch sein. Viele Unternehmen führen dieses wertschätzende Gespräch standardmäßig mit jedem Mitarbeiter, der nach einer Abwesenheit (urlaubs- oder krankheitsbedingt) an den Arbeitsplatz zurückkehrt. Gibt es einen solchen Rahmen noch nicht, so soll der Mitarbeiter zu einem Gespräch in ruhiger und entspannter Atmosphäre eingeladen werden. Wichtig ist, dass die Führungskraft zunächst beschreibt, was ihr aufgefallen ist, anstatt eine Diagnose zu stellen (z.B. „Ich erlebe Sie in letzter Zeit zunehmend unkonzentriert und erschöpft. Wie sehen Sie das?“).[5] Gut ist auch, sein eigenes Unbehagen auszudrücken: „Ich mache mir Sorgen und möchte Sie unterstützen (statt „helfen“).“ Am Ende des Gesprächs sollte in jedem Fall ein Termin für ein zweites Gespräch zum Austausch über eingetretene Veränderungen fixiert werden.

Zur Unterstützung kann die Führungskraft dem betroffenen Mitarbeiter auch ein Burnoutpräventions-Coaching bei einem externen Partner (z.B. bei einem unserer Autoren), anbieten. Viele Firmen übernehmen die Kosten für eine solche Maßnahme ganz oder beteiligen sich daran, um dem Mitarbeiter den Zugang zu erleichtern. Für den Fall, dass sich Mitarbeiter die drohende Gefahr auszubrennen einfach nicht eingestehen und auch ihr Verhalten partout nicht ändern wollen, kann die Teilnahme an einem solchen Beratungsgespräch auch als letzte Bedingungen eingesetzt werden, um vor einer Kündigung zu bewahren.

 

Das HILFE-Konzept[6]

Zusammenfassend, möchte ich hier noch das sogenannte HILFE-Konzept vorstellen. Es handelt sich dabei um einen kompakten und eingängigen Leitfaden zum Umgang von Führungskräften mit betroffenen Mitarbeitern. Jeder Buchstabe steht dafür für einen Schritt:

H – Hinsehen = aufmerksam sein, Veränderungen beobachten

I – Initiative ergreifen = das Gespräch suchen

L – Leitungsfunktion wahrnehmen = Ziele vereinbaren, was soll sich verändern

F – Fordern und Fördern = realistische Anforderungen statt schonen

E – Experten hinzuziehen = eigene Grenzen erkennen und Profis in Anspruch nehmen

Letzteres beschreibt, wovor sich viele Führungskräfte fürchten: Sie sind keine Burnout-Experten und auch keine Psychotherapeuten und können damit auch nur begrenzt handeln. Wer ernsthaft Sorge hat, dass sich einer seiner Mitarbeiter etwas antun könnte oder sich auch nach mehreren Gesprächen nichts an der Situation ändert, tut gut daran, mit der Personalabteilung, dem Betriebsarzt bzw. Betriebsrat zu sprechen. Erkrankungen zu heilen gehört nämlich nicht zu den Aufgaben eines Vorgesetzten. Wohl liegt es aber in seinen Händen einen offenen Dialog mit seinem Team zu pflegen, betroffene Mitarbeiter wertschätzend anzuerkennen und ihnen die bestmögliche Unterstützung zu geben, um eigenverantwortlich gesund zu werden.[7]

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[1] Kéré Wellensiek, Sylvia (2011): Handbuch Resilienz-Training. Widerstandskraft und Flexibilität für Unternehmen und Mitarbeiter. Beltz Verlag. Weinheim und Basel. S. 238

[2] Prieß, Mirriam (2014): Burnout kommt nicht nur von Stress. Warum wir wirklich ausbrennen – und wie wir zu uns selbst zurückfinden. München: Südwest Verlag.

[3] Matyssek, Anne Katrin (2011): Gesund führen – sich und andere! Trainingsmanual zur psychosozialen Gesundheitsförderung im Betrieb. Norderstedt: Books on Demand GmbH. S. 138

[4] Prieß, Mirriam (2014): Burnout kommt nicht nur von Stress. Warum wir wirklich ausbrennen – und wie wir zu uns selbst zurückfinden. München: Südwest Verlag. S. 155

[5] ebenda, S. 156

[6] Matyssek, Anne Katrin (2011): Gesund führen – sich und andere! Trainingsmanual zur psychosozialen Gesundheitsförderung im Betrieb. Norderstedt: Books on Demand GmbH. S. 208 ff.

[7] Prieß, Mirriam (2014): Burnout kommt nicht nur von Stress. Warum wir wirklich ausbrennen – und wie wir zu uns selbst zurückfinden. München: Südwest Verlag. S. 158

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