Es ist Sommer und jedes Jahr zu dieser Zeit häufen sich Studien und Zeitungsartikel rund um das Thema „Erreichbarkeit im Urlaub“. Sommerzeit ist Urlaubszeit. In vielen Firmen wird das auch spürbar, indem keine neuen Projekte gestartet werden oder man sich Zeit für’s Dokumentieren und Sortieren nimmt. Da passt es auch perfekt, ein paar Wochen Urlaub einzuplanen, weil eben im Büro gerade nichts Dramatisches passiert. Warum aber dennoch immer mehr Menschen im Urlaub ihre E-Mails checken, am Strand für „Notfälle“ erreichbar bleiben und was das mit den Themen Stressbewältigung und Burnoutprävention zu tun hat, möchte ich in diesem Beitrag reflektieren. – Autorin: GF

Ich habe heuer in meinen beiden Urlaubswochen im Juli auf eine elektronische Abwesen-heitsnotiz verzichtet, mein Handy ist als Selbständige ohnehin immer eingeschaltet. Es könnte mir ja ein besonders lukrativer Auftrag entgehen, wenn ich nicht erreichbar bin. Raten Sie, was passiert ist! Richtig! Kein einziges wichtiges Email, keine einzige neue Anfrage ist eingetrudelt. Und ich? Ich war trotzdem nicht ganz entspannt, immer mit einem Auge am Handydisplay.

So oder so ähnlich geht es auch vielen anderen Erwerbstätigen. Im Urlaub, der eigentlich der Regeneration, dem Energietanken und der Familie gewidmet sein sollte, sind lt. einer Studie des Onlinemarktforschungsinstitutes meinungsraum.at 61% der österreichischen Erwerbs-tätigen für Chef oder Kunden erreichbar. Spannend finde ich, dass sogar 52% der Befragten angeben, sich dadurch nicht gestört zu fühlen.[1] Ich frage mich: Wie soll da echte Erholung stattfinden? Wie sollen Eltern da eine unbeschwerte Zeit mit ihren Kindern verbringen? Und wie soll der Mensch danach wieder voller Energie, Kreativität und Stressresistenz am Arbeitsplatz sitzen, wenn Körper und Geist auch im Urlaub keine Pause bekommen haben?

Generation „always on“

Es ist ja so: Ständige Erreichbarkeit gefährdet auf Dauer unsere Gesundheit. Wenn wir andauernd mit dem Kopf bei der Arbeit und damit bei mühsamen Projekten, schwierigen Kunden und nervenaufreibenden Präsentationen sind, dann steht unser Organismus die ganze Zeit über unter Strom. Stresshormone werden nicht mehr abgebaut und stressbedingte Folgen wie z.B. Muskelverspannungen, Verdauungsstörungen oder Bluthochdruck können sich zu chronischen Erkrankungen bis hin zum Burnout auswachsen.[2] Auch Psychologen machen immer wieder darauf aufmerksam, dass unser Gehirn dringend Phasen der Entspannung braucht.[3]

Möglich geworden ist die Sache mit der Erreichbarkeit überhaupt erst durch den technologischen Fortschritt und die Flexibilisierung der Arbeitszeit. Immer mehr Unternehmen statten ihre Mitarbeiter mit mobilen Endgeräten aus. Das erlaubt einerseits, dass man sich seine Aufgaben im Job selbständig einteilen kann. Andererseits erwartet der Arbeitgeber im Gegenzug dafür meistens, dass der Mitarbeiter auch abseits der regulären Bürozeiten ans Telefon geht oder seine Emails abruft. Hinzu kommt, dass es mittlerweile an immer mehr Urlaubsdestinationen gut ausgebautes und teilweise sogar kostenloses WLAN gibt. Ich selbst habe im Thailandurlaub schon vor 2 Jahren an einem abgelegenen Strand einer kleinen Insel per WhatsApp mit meinen Freunden daheim in Österreich kommuniziert.

Neben diesen technologischen Voraussetzungen, gibt es aber noch eine Reihe anderer, weitaus gewichtigerer Ursachen, die dazu führen, dass Firmenhandy und Laptop mit im Reisegepäck sind. Schlechte Vertretungsregelungen bzw. das Gefühl, dass gewisse Dinge niemand anderer in der Firma erledigen kann, werden von 59% als Grund dafür angegeben. 30% der Befragten haben ihr Telefon auch im Urlaub eingeschaltet, weil dies von Arbeitgeber oder Kunde erwartet wird und immerhin 25% checken ihre Emails um bei aktuellen Projekten am Laufenden zu bleiben.[4] Meiner Meinung nach sprechen diese Studienergebnisse ja Bände, vor allem in Hinblick auf innere Antreiber: Der Glaube, unersetzlich zu sein, immer für die Firma da sein zu müssen oder niemanden enttäuschen zu dürfen, ist genau darauf zurückzuführen.

Stressfrei im Urlaub

Zunächst stellt sich die Frage: Muss ich im Urlaub für meinen Arbeitgeber erreichbar sein? Die Antwort ist: Nein. Außer es ist konkret im Arbeitsvertrag so vereinbart. Grundsätzlich gilt, dass Arbeitnehmer in ihrer Freizeit nicht verpflichtet sind, regelmäßig E-Mails abzurufen oder gar zu beantworten. Lediglich in Notfällen darf gestört werden. „Etwa wenn die Kollegen nicht arbeiten können, weil ihnen ein wichtiges Passwort fehlt“ so AK-Experte Alexander Tomanek.[5]

Mehr und mehr Unternehmen gehen sogar soweit, strenge Regeln für die Nutzung von Firmen-Smartphones aufzustellen, um besonders pflichtbewusste Mitarbeiter vor der Selbstüberforderung zu schützen. Die Deutsche Telekom z.B. hat leitenden Angestellten untersagt, ihren Mitarbeitern im Urlaub, aber auch nach Feierabend und am Wochenende Emails zu schicken.[6] Spezielle Urlaubsprogramme oder Regeln für das Arbeiten nach Dienstschluss wurden auch bei Firmen wie Daimler[7], Continental oder SAP [8] entwickelt. Es scheint, als hätten die großen Konzerne langsam verstanden, dass solche Maßnahmen nicht nur der Gesundheit Ihrer Mitarbeiter zuträglich sind sondern auch dem Unternehmenserfolg dienen. Tatsächlich erholte Mitarbeiter sind nach dem Urlaub nämlich weitaus produktiver und innovativer. Klare Regelungen zur Erhaltung der Work-Life-Balance tragen darüber hinaus wesentlich zur Attraktivität als Arbeitgeber bei.

Die größte Verantwortung für einen stressfreien Urlaub liegt aber wohl bei jedem von uns selbst. Eine gute Urlaubsvorbereitung am Arbeitsplatz ist schon einmal die halbe Miete. Dazu gehören eine rechtzeitige und saubere Projektübergabe an Kollegen, ein erstes Vorausplanen jener Aufgaben, die gleich nach dem Urlaub anstehen sowie ein aufgeräumter Schreibtisch bevor sie das Büro Richtung Strand verlassen.

Am allerwichtigsten erscheint mir aber, dass wir uns einen entspannten, arbeitsfreien Urlaub auch selbst zugestehen. Und dabei können uns die folgenden Glaubenssätze unterstützen:

  • Ich habe mir diesen Urlaub verdient. Sehen Sie eine entspannte, freudvolle Woche abseits Ihres Alltags als Belohnung für Ihre Anstrengungen und Erfolge im Job.
  • Ich nehme mir bewusst eine Auszeit, um danach wieder mit voller Kraft durchstarten zu können. Profisportler wissen es ganz genau: Wer Höchstleistungen erbringen muss, braucht nach jeder Anstrengung zwingend eine Phase der Regeneration.[9]
  • In meiner Abwesenheit können sich meine Kollegen weiterentwickeln. Wenn Sie Sorge haben, dass Ihre Kollegen ohne Sie nicht zurechtkommen, dann führen Sie sich folgendes vor Augen: Wer Sie während Ihres Urlaubs vertritt, erweitert durch das neuartige Aufgabengebiet seine Fähigkeiten, erhöht seine Problemlösekompetenzen, bringt damit Vielseitigkeit in seinen Arbeitsalltag und lernt, Verständnis für andere Themenfelder im Betrieb aufzubringen.[10]

Es gibt also viele gute Gründe, beim nächsten Kofferpacken genau zu überlegen, ob das Firmenhandy mit auf Reisen geht oder nicht. Eines kann ich Ihnen jedenfalls garantieren: Ihre Gesundheit wird’s Ihnen danken. Bestimmt mehr, als Chef und Kunden sich für Ihre Erreichbarkeit erkenntlich zeigen werden.

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[1] meinungsraum.at (2016): „Urlaub und Beruf – Eigenstudie, Juli 2016“, online unter http://meinungsraum.at/2016/07/urlaub-und-beruf-eigenstudie-juli-2016/ (29.8.2016)

[2] Kaluza, Gert (2011): Stressbewältigung. Trainingsmanual zur psychologischen Gesundheitsförderung. Springer-Verlag GmbH: Berlin und Heidelberg. S. 23

[3] standard.at (2015): „Abschalten ohne abzuschalten: Ständige Erreichbarkeit im Urlaub“, online unter http://derstandard.at/2000019777947/Abschalten-ohne-abzuschalten-Erreichbarkeit-im-Urlaub (29.8.2016)

[4] meinungsraum.at (2016): „Urlaub und Beruf – Eigenstudie, Juli 2016“, online unter http://meinungsraum.at/2016/07/urlaub-und-beruf-eigenstudie-juli-2016/ (29.8.2016)

[5] orf.at (2014): „Im Urlaub für den Chef erreichbar“, online unter  http://wien.orf.at/radio/stories/2655168/   (29.08.2016)

[6] Salzburger Nachrichten (2016): „Ständige Erreichbarkeit ist belastend“, online unter http://www.salzburg.com/nachrichten/gesundheit/sn/artikel/staendige-erreichbarkeit-ist-belastend-206368/ (1.9.2016)

[7] spiegel.de (2014): „Deutsche Konzerne kämpfen gegen den Handywahn“, online unter http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/erreichbar-nach-dienstschluss-massnahmen-der-konzerne-a-954029.html (1.9.2016)

[8] Klitschko, Wladimir (2016): „Schalten Sie einen Gang runter“, online unter https://www.linkedin.com/pulse/schalten-sie-einen-gang-runter-dr-wladimir-klitschko?trk=eml-b2_content_ecosystem_digest-recommended_articles-39-null&midToken=AQElyGAwN1rQfA&fromEmail=fromEmail&ut=231ITKmkGUdno1 (29.8.2016)

[9] ebenda

[10] standard.at (2015): „Abschalten ohne abzuschalten: Ständige Erreichbarkeit im Urlaub“, online unter http://derstandard.at/2000019777947/Abschalten-ohne-abzuschalten-Erreichbarkeit-im-Urlaub (29.8.2016)

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